Über die Beobachtung der Entstehung von Initiative
Vor ein paar Tage hatte ich ein spannendes Gespräch mit einer Freundin, in dem es um formale und informelle Ausbildung und deren Folgen ging. Dabei kamen wir noch mal auf das Thema der Dokumentation, welches mich ja schon quasi mein ganzes Leben begleitet: in meiner Wahrnehmung ist das einer der wesentlichen Unterschiede, wenn man sich nicht in einem institutionalisierten Kontext bewegt, dass es keine formale Dokumentation gibt. Es gibt kein Stück Papier welches behauptet, darlegen zu können, wer ich bin und was ich kann (= was ich darf).
Da heraus entstand dann im Gespräch die Idee eines Bildungstagebuches. In diesem halte ich nun seit ein paar Tagen die Momente und Erlebnisse, die ich mit Bildung verbinde, fest. Eine wesentliche Feststellung war, dass mir dadurch tatsächlich etwas sichtbarer wird, was die Strukturen und Gestaltungskräfte sind, wenn man sein Leben selbstbestimmt und unabhängig von Institutionen gestaltet. Zu beobachten, wie es überhaupt geschieht, dass ich etwas tue, interessiert mich sehr. Sowohl im Rahmen des Autodidaktischen Semesters als auch für die Arbeit an dem Film „Brückentage“ ist dies eine super Forschung.
Gleich zu Beginn war eine Reflektion sehr aufschlussreich: vor ein paar Tagen hatte ich noch mal ausführlicher zu der Flüchtlingssituation gelesen. Unter anderem sehr persönlich von einer Bekannten, die gerade selber an der Serbischen Grenze ist und berichtete, wie es da zu geht – verbunden mit dem Anliegen, dass jemanden mit einem Auto Sachen dort runter fährt. Da ich selber ein Auto habe und mein Leben so gestaltet ist, dass ich auch mal kurzfristig ein paar Tage etwas andere machen kann, dachte ich gleich, dass ich das doch einfach machen kann.
Im Nachklang wurde mir daran deutlich, dass sich so eigentlich mein ganzes Leben gestaltet, dass ich in Berührung komme mit der Welt und da heraus Initiative entsteht. Dass ich auf irgendeine Art konfrontiert werde mit der Welt und das meinen Willen weckt und ich anfange zu handeln. In welche Form auch immer. Und der Anfang ist eine ganz konkrete Situation, Erfahrung, Erlebnis welches mich berührt und gleichzeitig eine konkrete Handlungsoption bietet (und sei es nur: ich will mich jetzt mal intensiv mit dem Auseinandersetzen).
Die Beobachtung meines inneren Prozesses ist: das Urmotiv ist, gestaltend in der Welt tätig zu sein. Und das Gestalten heißt ja, dass ich etwas sehe, was noch nicht ist – ich will etwas von der Möglichkeit zur Realität bringen. Und der Ausgangspunkt ist für mich das persönliche Berührt-sein am Erleben des „unfertigen“. Und die erste Reaktion ist Ohnmacht. Und die zweite ist: es lässt mich nicht los. Weil es mich berührt, weil es mich betrifft. Und im Suchen von Handlungsmöglichkeiten entstehen dann manchmal innere Bilder – wie es anders gehen könnte. Und dann geht es „nur noch“ um den Mut, das anzunehmen und anzugehen.
Johannes Stüttgen hatte dafür einmal das folgende schöne Bild: die Initiative beginnt im Herzen, mit einer Ahnung, mit einem Berührt-sein. Und im Kopf begreifen wir sie, bringen sie auf den Begriff. Dadurch wird sie schließlich handhabbar und führt zu einer Handlung. Die Dynamik ist also: Herz – Kopf – Hand.
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