Geschrieben am Karfreitag 2021:
Wenn wir die Normen, die Vorgaben, den Gehorsam überwinden, was bleibt uns dann?
Wie leben wir zusammen, mit der Natur und den Menschen, wenn wir alles Kategorische, alles Prinzipielle, was das Leben regelt, überwinden?
Auf der Suche nach Freiheit und Vertrauen zwischen den Menschen, kam ich in meiner Jugend zur Anarchie. Immer mehr begreife ich, was ich damals schon für wahr, für zukünftig empfunden habe: Wie die starre Form, die Bürokratie, die Gesetze aus Angst, zur Sicherung der eigenen Privilegien, überwunden werden können durch innere Ausrichtung, durch Liebe, durch Vertrauen. Am Karfreitag darf man das schreiben: Liebe. Jesus als erster Anarchist. Als ein Gesetzloser. Worauf er sich beruft sind nicht die Gesetze der Römer, der Verwalter, der Buchhalter, der Bürokraten, sondern auf die Liebe – davon wissen wir. Nur leben können wir es nicht. Denn, wie das geht, ist bis heute ein großes Geheimnis. Wie das Leben, das Lebendige zum bestimmenden Moment, zum Gesetz wird. Im Ringen darum, was das heißt – kann daraus Gemeinschaft entstehen? Ein Verbundensein? Ein Zusammenleben jenseits der Institutionen, die bevormundend und fremdbestimmt das Leben für uns regeln?! Das radikale Zurückgeworfen-sein auf sich selbst. Damit sind wir wieder bei Ostern. Keine Ärztin, kein Arzt, keine Priesterin, kein Priester, keine Lehrerin, kein Lehrer, keine Politikerin, kein Spahn nimmt uns die Verantwortung ab – uns selbst und dem Leben zu dienen.
Das ist auch die Frage der Demokratie – als Haltung, dass jede*r Betroffene mit einbezogen sein muss. Wie kann die Gestaltung der Welt, wie auch der eigenen Biografie, in den Hände der konkret betroffenen bleiben und mit Blick auf die Lebendigkeit nach der stimmigen Form gesucht werden? Das erlebe ich als elementare Frage – ausgehend von „Nie wieder Faschismus“ und der Verneinung des Gehorsam (wo kommt der jetzt wieder her?). Im Wust und Chaos, auch der aktuellen Geschehnisse, wird die Frage nach dem eigenen Gewissen, nach der eigenen Quelle und Ausrichtung immer wesentlicher. Die äußeren Instanzen werden immer lebensfeindlicher, immer ablenkender, immer mehr verhindernd. Was können wir in uns finden?
Als Mensch und winziger Teil der Planetin Erde: stelle ich mich in den Dienst des Lebendigen; verweigere ich den Gehorsam; entziehe ich mich dem Prinzip der allgemeinen und pauschalen Antworten und vertraue ich auf die immer individuelle Gestaltung, die die Lebendigkeit fordert?!
Als Basis dafür erahne ich ein universelles Vertrauen, dass ich bin, weil ich bin; und dass mir meine Existenz nicht von außen genommen werden kann. Das verbinde ich mit dem Begriff „Christusimpuls“, dass in jedem Menschen etwas sehr sehr zartes veranlagt ist, was die Lebendigkeit sucht, was mich zur Menschlichkeit, zum Mensch-Sein bestärken will. Menschen, die ich bewundere, haben diese zarte Kraft so intensiv in sich erlebt, dass sie diese zum Bestimmenden ihres Lebens gemacht haben.